Aus Anlass des Weltfrauentages haben wir uns mit einer Kundin der Gothaer unterhalten, die erfolgreich ein Familienunternehmen leitet. Beate Gothe ist Geschäftsführerin der Heinz Gothe GmbH & Co. KG in Mönchengladbach, (Edel)Stahlverarbeiter, gegründet 1920 und seitdem ein Familienunternehmen.
Sie sind Geschäftsführerin einer Edelstahlfirma – da denkt man zunächst an „Männerbranche“. Ist das wirklich so und müssen sich Frauen in diesem Umfeld besonders behaupten?
Ja, tatsächlich ist die Stahlbranche in den entscheidenden Positionen und in der Herstellung noch sehr oft in Männerhand. Metall, Stahl, dessen Verarbeitung aber auch dessen Vertrieb sind jahrhundertelang einem typisch männlichen Rollenbild zugeschrieben worden. Die Produktion ist schmutzig, laut und körperlich anstrengend. Immer noch sind das Arbeitsbilder, die wir nicht in den Kontext mit arbeitenden Frauen stellen, die wir uns als pflegende oder kreative, und auch gerne als kaufmännisch tätige Kraft wünschen.
Jede Frau, die sich entschließt, dieses Rollenbild aufzubrechen, setzt sich damit erst einmal gegen herrschende (Vor-)Urteile hinweg und zeigt der Gesellschaft ganz klar: Ich gehe einen anderen Weg, ich stelle mich einer immer noch existierenden Herausforderung im Geschlechterwesen.
Dieser Aufbruch ist nicht einfach, aber sobald man den Entschluss für sich ganz fest gefasst hat, berichten mir viele Frauen aus unserer Branche von sehr guten Erfahrungen und einem guten Miteinander im Beruf.
Wie erleben Sie Ihre Rolle als weibliche Geschäftsführerin? Merken Sie, dass das immer noch nicht normal ist in der deutschen Wirtschaft?
Mein Rollenverständnis ist stark durch Vorbilder geprägt. Starke Frauen, die es geschafft haben, sich durch ihre andere Art ein Unternehmen aufzubauen, es zu lenken und durch schwierige Fahrwasser zu bringen. Glücklicherweise musste ich nicht weit schauen, um ein solches Vorbild im eigenen Unternehmen zu finden: Meine Tante hat über viele Jahre mit all ihrer Kraft die Firma begleitet und mit zu dem gemacht, was wir heute sind.
Normalität ist für Frauen in Führungspositionen allerdings immer noch nicht eingekehrt, aber es wächst das Verständnis für Geschäftsführerinnen und deren Belange. Frauen schließen sich in den Wirtschaftsverbänden zusammen, um sich stärker beteiligen zu können und die politische Maßgabe, Frauen in Aufsichtsräten, politischen Gremien usw. zu fördern, hilft auch enorm.
Warum haben Sie persönlich sich für Ihre Führungsposition entschieden?
In Familienunternehmen hat man die Wahl: Entweder man sucht sich ein Berufsumfeld, welches nichts mit dem eigenen Unternehmen zu tun hat und beweist sein Können dort, oder man stellt sich der Verantwortung, Traditionen weiterzuführen und die eminent wichtige Rolle des familiengeführten Mittelstandunternehmens als Chance aufzugreifen und Teil der Wertschöpfungskette zu sein: Wir sind hier eine „Familie“ aus Menschen unterschiedlichster Ausbildung, Herkunft und Interessenlage. Es vereint uns aber der Gedanke, etwas gemeinsam zu tun und dabei für uns und für die Gesellschaft einen Mehrwert zu schaffen.
Ich freue mich, einem solchen Team anzugehören und in den vielen Fällen die Weichen für diese Mitarbeiter*innen stellen zu können. Mein Antrieb ist die Gemeinschaft. Wenn das mit Führung verbunden ist, nehme ich das gerne a
Frauen im Vorstand: Im familiengeführten Mittelstand gibt es das aktuell nur bei rund 13 Prozent der Firmen – bei den DAX-Konzernen sogar nur in 11,5 Prozent. Haben Sie Erfahrungen gemacht, woran das liegen könnte? Hat es was mit Trauen zu tun? Oder mit den Möglichkeiten?
Junge Frauen sind heute sehr gut ausgebildet, sie sind schlau, in positiver Art und Weise frech und eigentlich steht ihnen die Welt offen. Leider beobachte ich immer noch, dass die Gründung einer Familie in der beruflichen Laufbahn von vielen Frauen eine Zäsur bedeutet.
Das ist nachvollziehbar und bei dem oft nur rudimentär vorhandenen System von guten Kitas und Ganztagsschulen oft kaum anders möglich. Um Frauen die Möglichkeit zu geben, sich in Führungspositionen vorzuarbeiten und so selbstverständlich wie die Männer eine Familie haben zu können, müssen wir noch große Anstrengungen auf uns nehmen. Das kostet Geld und Kraft und bei beiden Geschlechtern ein Umdenken.
Leider hat die Pandemie der letzten Monate die Frauen gerade in dieser Hinsicht stärker belastet. Studien zeigen, dass neben der Berufstätigkeit bis zu 80 Prozent der Homeschooling-Betreuung von den Frauen geleistet wird.
Trauen? Ja, man muss ich trauen, dem traditionellen, antiquierten Rollenbild nicht zu entsprechen. Das eigene Umfeld positiv zu beeinflussen und sich Freiräume für Arbeit und Familie zu schaffen. Es ist wie mit der Stahlbranche: Hat man sich einmal getraut, wird es danach besser, als man vorher geglaubt hat.
Was braucht es, damit mehr Frauen den Schritt in Führungspositionen gehen können oder wollen?
Es braucht noch mehr positiv besetzte Vorbilder und eine Abkehr von dem, was uns vorherige Generationen vorgelebt haben. Es braucht berufliche und private Partnerschaften, die Frauen stärken, ihnen Mut machen und die sie nicht klein halten wollen. Mein Mann spiegelt mir zum Beispiel immer wieder, dass er sich für mich freut, dass ich meine leitende Position ernst nehme. Er unterstützt mich mit Rat und Tat und wenn es auch nur bedeutet, die Kinder zum Sport zu fahren und ähnliches.
Außerhalb ihrer Familien brauchen junge Frauen Mentor*innen, die ihnen Wege und Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen, die nicht streng männlich geprägt sind.
Sehen Sie sich als Vorbild für andere Frauen? Oder mögen Sie diese Rolle vielleicht gar nicht?
Gerne sehe ich mich als Gesprächspartnerin für Frauen, die nicht wissen, welchen Weg sie einschlagen sollen. Meine Rolle sehe ich darin, aufzuzeigen, dass es möglich ist, zu leiten und auch eine Familie zu haben. In diesen Gesprächen vermittle ich den jungen Frauen aber auch, dass es anstrengend ist und oft nur mit der/den richtigen Partnern*innen eine Chance entsteht, das zu leben.
Wenn ich hier Vorbild sein kann und darf, empfinde ich das als ehrenwert. Jeder Lebensentwurf scheint mir seine Berechtigung zu haben und wir leitenden Frauen dürfen keinesfalls unser Modell anderen überstülpen und davon ausgehen, dass es für alle richtig ist. Aber wir dürfen ermutigen und fördern. Und diese Rolle mag ich.
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