Die Baubranche verursacht weltweit rund ein Viertel aller CO2 Emissionen, doch auch hier nimmt das Thema Klima- und Umweltschutz einen immer größeren Stellenwert ein. Durch das gestiegene Umweltbewusstsein und eine Vielzahl der unterschiedlichsten Maßnahmen konnte der Ausstoß in den letzten Jahren schon deutlich reduziert werden. Gothaer2know hat bei einem Experten nachgefragt, wo aktuell die größten Herausforderungen für die Branche liegen und was auch private Bauherrn tun können, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Im Gespräch mit Gothaer2know ist Guido Conrads, Bauingenieur und seit 13 Jahren Technischer Sachverständiger im Bereich Architektenhaftpflicht bei der Gothaer.
Guido, vor welchen Herausforderungen steht die Baubranche aktuell?
Die Herausforderungen sind mannigfaltig und fordern von der gesamten Branche großes Engagement. Es geht nicht allein um den Umwelt- und Klimaschutz, sondern auch um knapper werdende Ressourcen. Ein Thema, das vielen Menschen gar nicht so bewusst ist, ist zum Beispiel, dass weltweit Sand und Kies knapp werden und sich mittlerweile schon ein Schwarzmarkt entwickelt.
Wieso ist das ein Problem?
Sand und Kies sind unter anderem die wichtigsten Rohstoffe für die Herstellung von Zement und Beton, die auf fast jeder Baustelle benötigt werden. Es gibt mittlerweile viele innovative Ideen und Ansätze, wie die Menge an benötigten Rohstoffen reduziert und damit auch CO2 eingespart werden kann. Das fängt schon beim Abbau und Transport an, geht aber viel weiter. Zum Beispiel können in Betondecken Hohlkörper aus recyceltem Kunststoff eingearbeitet werden. Allein dadurch können rund 30 Prozent Beton eingespart werden.
Ein großer Hebel ist auch die Logistik auf den Baustellen. So können die Lieferketten erheblich verkürzt werden, wenn man lokale Produkte verwendet. Dadurch werden Kosten, Zeitaufwand, die Transportwege und der Rohstoffverbrauch erheblich minimiert. Ebenso gibt es auch viele Ansätze für Recycling, zum Beispiel durch die Wiederverwendung von Materialien aus dem Abriss alter Gebäude oder aus Schadensfällen.
Ein sehr spannender Ansatz ist auch die Nutzung alternativer und nachwachsender Baustoffe. So können zur Wärmedämmung und Schalldämmung auch Stroh, Hanf oder speziell gezüchtete Pilze verwendet werden.
Welche weiteren Trends in Richtung Nachhaltigkeit beobachtest Du noch?
Holz als weiterer nachwachsender Rohstoff erfährt gerade eine große Renaissance. Es wird mittlerweile auch für Großbauten und sogar für Hochhäuser eingesetzt. Hier ist die Bautechnik in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt worden und viele Kommunen haben Rahmenbedingungen für den Holzbau verbessert und bürokratische Hemmnisse abgebbaut. Das Land Berlin hat seine Bauordnung für den Holzbau beispielsweise schon angepasst.
Ein wichtiges Thema sind natürlich auch die Gebäudebeheizung und -kühlung sowie die Warmwasserbereitung. Hier werden immer effizientere technische Anlagen entwickelt, die den Energiebedarf erheblich senken. Aber auch durch andere intelligente Systeme und Konzepte kann der Energieverbrauch von Gebäuden reduziert werden. Etwa durch eine optimale Wärmedämmung oder Stromspeicher. Oder man nutzt die Eigenschaft von schweren und trägen Baustoffen wie Beton, Kalksandsteinen oder speziell entwickelte Trockenbauplatten mit Paraffinwachskern die als Latentwärmespeicher funktionieren. Sie können Wärme und Kälte speichern und diese dann zu einem späteren Zeitpunkt wieder abgeben.
Ein großer Trend mit viel Einsparpotenzial beim CO2 Ausstoß ist auch das flächensparende Bauen, ebenso wie die Begrünung von Außenflächen wie Dächern und Fassaden.
Und wie können private Bauherren den CO2 Ausstoß ihres Hauses reduzieren?
Auch private Bauherren haben viele Möglichkeiten, den CO2-Ausstoß zu senken. Das beginnt schon bei der Planung ihres Bauvorhabens mit der Auswahl der Baustoffe, des Heizungssystems, der Flächenausnutzung des Hauses und natürlich durch den Einsatz regenerativer Energien wie Wind, Sonne oder Geothermie. Durch eine intelligente Planung der Belichtung von Häusern und Wohnungen, aber vor allem auch von Büroflächen oder Ladenlokalen kann zudem der Stromverbrauch durch die Nutzung spezieller Lichtleitsysteme reduziert werden.
Ein weiterer Ansatz sind Smarthome Funktionen, die einzelne Verbraucher je nach Bedarf steuern. Beispielweise muss die Warmwasserversorgung nicht den ganzen Tag auf Abruf in Sekundenschnelle verfügbar sein, sondern nur zu den Spitzenzeiten. Ansonsten kann man auch mal eine Minute warten, bis das warme Wasser an der Zapfstelle verfügbar ist. Moderne Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung nutzen die Wärme der verbrauchten Luft aus dem Haus, um die frische, kalte Luft von draußen vor zu erwärmen.
Die Instandhaltung der eigenen vier Wände ist ebenfalls ein großer Posten, bei dem CO2 eingespart werden kann. Investiert man regelmäßig in Wartung und Instandhaltung, spart man sich die eine oder andere große Sanierung oder sie wird erst deutlich später fällig. Ein gut instandgehaltenes Haus kann auch durch nachfolgende Generationen noch genutzt werden. Diese brauchen dann nicht energieraubend neu zu bauen.
Wie sieht es mit den Kosten aus? Lohnen sich Investitionen in Nachhaltigkeit auch finanziell auf lange Sicht?
Das lässt sich nicht so eindeutig beantworten. Energiesparende und nachhaltige Materialien und Verfahren, die bereits im Markt etabliert sind, sind nicht unbedingt teurer. Bei neuen, innovativen Produkten und Verfahren, die gerade erst entwickelt werden oder auf den Markt kommen, sieht das sicher anders aus.
Ob sich eine Investition in die Einsparung von CO2 und Nachhaltigkeit für einen Bauherrn lohnt, muss jeder Bauherr für sich selber entscheiden. Aus der reinen monetären Betrachtung heraus wird dies sicher nur selten der Fall sein. Um dies etwas abzumildern und den Bauherrn zu helfen, gibt es jedoch umfangreiche Förderprogramme durch die KfW-Bank und auch durch Kommunen und Städte.
Und wie sieht es beim Thema Heizen aus?
Energiesparende Heizungs- und Lüftungssysteme amortisieren sich bei entsprechend geplanten Gebäuden schon nach rund 15 bis 20 Jahren. Dies ist zum einen abhängig von den Fördermöglichkeiten und zum anderen von der Entwicklung der Kosten der einzelnen Energieträger. Betrachtet man dies unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten und im Hinblick auf nachfolgende Generationen lohnt sich eine solche Investition aber eigentlich immer.
Durch viele Maßnahmen wird zudem der Wohnkomfort deutlich gesteigert, dichte und gut gedämmte Gebäude schaffen mehr Behaglichkeit, Lichtlenksysteme bieten Tageslicht in Bereichen, in denn sonst nur künstliches Licht vorhanden wäre.
Nicht vergessen sollte man auch, dass Investitionen in Nachhaltigkeit von Gebäuden auch deren Wert steigern im Vergleich zu normalen Gebäuden. Ein Haus, das heute schon die Kriterien von morgen erfüllt, lässt sich später sicher besser und teurer verkaufen als ein Standardhaus. Ein weiterer Aspekt, der nicht nur Bauherrn betrifft, sondern die gesamte Gesellschaft, ist die Tatsache, dass durch den Klimawandel die Wetterextreme zunehmen werden und somit auch die Schäden an Bauwerken und Infrastruktur. Mit nachhaltigen Baumaßnahmen können wir alle gemeinsam den Klimawandel verlangsamen. Und davon profitieren am Ende alle.
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