Familie und Führungsposition – wie man das unter einen Hut kriegt erzählt Christina Wehner, Abteilungsleiterin Kompetenzcenter Komposit Privatkunden. Nach ihrer Schwangerschaft möchte sie weiterhin als Leitung arbeiten – jedoch in Teilzeit. Wie das funktionieren kann, erfährst Du in ihrem Interview!

 

Was bedeutet der Weltfrauentag für Dich?

Für mich ist der Weltfrauentag ein symbolisch festgelegter Tag, der jährlich widerkehrt und uns dazu aufruft unermüdlich dafür einzustehen, dass wir als Frauen eine zentrale, gesellschaftliche Bedeutung haben. Und er erinnert mich auch daran, dass jeder Mensch die gleichen Rechte haben sollte. Zudem empfinde ich eine tiefe Dankbarkeit all denjenigen Frauen, aber auch Männern gegenüber, die unter schwersten Bedingungen den erforderlichen Mut und die Durchsetzungskraft und die notwendige hohe Resilienz mitgebracht haben, einen deutlichen Unterschied zu machen. Und letztendlich, wenn ich heute drauf schaue, kann man wirklich sagen, wir haben riesige Schritte gemacht, mit Blick auf die gesellschaftliche und politische Gleichberechtigung. Der Weltfrauentag, den gibt es übrigens schon seit 100 Jahren und eingeführt von einer deutschen Sozialistin und Frauenrechtlerin namens Clara Zetkin.

Zudem empfinde ich tiefgreifende Bewunderung und zugleich auch eine persönliche Verpflichtung, weiterhin für ein gesellschaftliches Selbstverständnis der Gleichberechtigung einzustehen

 

Denkst Du, es ist als Frau schwieriger Familie und Beruf zu vereinbaren?

Ja, das glaube ich tatsächlich. Und ich finde auch, dass insbesondere durch die Corona-Krise jetzt noch einmal deutlich wird, dass überwiegend Frauen investieren in Themen wie Care-Arbeit, Homeschooling, oder eben auch Familienfürsorge. Aus meiner Sicht ist es wichtig für sich selbst seinen Lebensentwurf erstmal zu definieren und das völlig frei von irgendwelchen Normen oder dem Geschlecht. Und das ist vielleicht an der Stelle einfach auch ein Tipp, den ich mitgeben wollen würde, weil für uns, heißt für mich und meine Familie, war es super wichtig uns zunächst einmal zu fragen, was macht uns wirklich glücklich oder welche Erwartungen haben wir an das gemeinsame Leben. Und haben uns, ich denke, ganz gut abgestimmt und ein gleiches Verständnis dafür heute. Das ist im Grunde für mich einfach die Homebase und ja, ich sag immer, eine der Gerechtigkeiten ist, dass wir alle nur 24 Stunden Zeit haben am Tag. Und da gilt es für uns auch das Bestmögliche rauszuholen, im positivem Sinne, und das erfordert einfach auch eine optimale Organisation, eine klare Aufgabenverteilung und, ich glaube am Ende auch so als Team, ein Wohlwollen, unser liebevolles Miteinander. Das ist für mich die ideale Basis um dann nach draußen zu gehen, in die große Welt, und mich eben immer wieder darauf berufen zu können und zu wissen zuhause, im Rahmen meiner Familie, sind wir völlig fein damit, wie wir aufgestellt sind.

 

Wie wurdest Du auf deinem Weg in die Führung unterstützt?

Ein ganz besonderer Mentor hat mir in jungen Jahren eine Weisheit mitgegeben, die besagt, dass zum Erfolg drei Dinge gehören: ein bisschen Schein, ein bisschen Sein und ein bisschen Schwein und ich glaube, ich habe das ganz gut beherzigt. Hinzukommt jedoch auch ein überragendes Förderprogramm der Gothaer. Ich konnte tatsächlich ohne Zeitstamp, oder einen Branchenwechsel oder Versicherungswechsel Karriere im Haus machen, ich bin ja jetzt auch schon gute zehn Jahre an Board. Ich habe schon recht jung nach Abschluss meines Studiums und nach erfolgreich bestandenem Assestmentcenter die Chance bekommen, hier im Hause meine erste Führungsaufgabe wahrzunehmen. Dazu habe ich zuvor an einem Intensiv-Workshop teilgenommen, wo ich eben auch sehr fundiert vorbereitet wurde, auf meine erste Führungsaufgabe. Begleitend dazu wurde ich ins Management-Programm aufgenommen und dieses Management-Programm richtet sich an Potenzialträger und Manager in ihrer ersten Führungsaufgabe. Kurz darauf fand die dritte Staffel des Mentoringprogramms statt, auch daran durfte ich teilnehmen. Da ist es so, dass man im Tandem mit einer sehr erfahrenen Führungskraft zusammen auf seine Entwicklungspotenziale schaut und auch in einen kollegialen Führungsaustausch gehen kann.

Mir ist stetige Weiterbildung in Bezug auf das Thema Führung enorm wichtig. Ich glaube, dass wir da einfach immer gefordert sind, am Puls der Zeit zu bleiben. Und ich bin auch tatsächlich ein Fan von Bildungspunkte für Führungskräfte, also so etwas könnte ich mir durchaus vorstellen. Ja, und letztendlich glaube ich, dass wir als Führungskräfte einen maßgeblichen Anteil daran haben, wie zufrieden und gerne unsere Mitarbeiter auch bei uns sind. Das wird vor allen Dingen auch dann spürbar, gegenüber unseren Kunden und Vertriebspartnern. Aus meiner Sicht liegt hier der Kern und das ist auch etwas, was mich wirklich motiviert und was mir auch als Führungskraft die Sinnhaftigkeit gibt. Dann macht Erfolg auch richtig Freude – zumindest für mich.

 

Welche Unterstützung brauchen junge Frauen in Unternehmen?

Es braucht in Unternehmen etablierte Modelle rund um die Themen Aufgabenverteilung, Stundenanzahl, Arbeitslohn, Unifikation. Und ganz wichtig dabei ist, dass es eine kulturelle Selbstverständlichkeit für Führungskräfte in Teilzeit braucht. Ich versuche das auch hier an der Stelle ganz bewusst neutral zu halten, weil es tatsächlich auch männliche Führungskräfte gibt, die in Teilzeit arbeiten, meist aus anderen Gründen, weil zum Beispiel die Stellen auch einfach nicht mehr hergeben, aber das spielt an der Stelle ja eigentlich keine Rolle.

Bin ich denn wirklich nur eine Top-Führungskraft, wenn ich mindestens X-Stunden arbeite und immer präsent und erreichbar bin, oder kann ich eben auch mit einem Teilzeitmodell wertvoll und nützlich sein? Ein weiteres etwas veraltetes Denkmuster, aus meiner Sicht, ist das Thema der Chef kommt als erster und geht als letzter. So ganz frei kann ich mich davon auch nicht machen, ich erwische mich auch dabei zu meinen es ist total wichtig immer erreichbar zu sein. Aber es geht am Ende ja viel mehr um die Qualität der Führung und vielleicht auch Effektivität und Leistungserbringung, anstatt das Ganze nur daran zu messen, wie viel Lebenszeit man zur Verfügung stellt.

Als ich von meiner zweiten Schwangerschaft erfahren habe, bin ich als erstes auf unsere Personalabteilung zugegangen, vertraulich, und habe mich da erkundigt welche Modelle die Gothaer da anbietet, an der Stelle, weil für mich eben schon klar war, dass ich auch nach dem zweiten Kind gerne zurückkommen möchte und eben auch, im besten Fall, in meiner heutigen Rolle, allerdings nicht mehr mit 100 Prozent. Wir haben dann verschiedene Modelle besprochen. Eines was wirklich interessant ist, im Grunde eine Art Doppelspitze zu bilden, wo beide Teile 60 Prozent der Arbeitszeit bilden und das tatsächlich auch gerne mit einem Mann gemeinsam. Da gibt es auch verschiedene Modelle, dass man eben zum Beispiel sagt, dass der Andere mit den 60 Prozent oder den 40 Prozent noch in Projekttätigkeiten geht, oder aber auch jemand der Altersteilzeit im Blick hat und da vielleicht ein Modell drei zu drei hat. Das heißt, dass man drei Jahre noch gemeinsam als Doppelspitze führen kann. Der 10 prozentige Anteil, den dann beide noch überhaben, der dient dann dazu, dass man sich noch austauscht und vernünftige Übergaben macht. Letztendlich wird es sicherlich auch Termine geben, an denen dann auch beide teilnehmen. Zudem ist das ein Modell, das im Markt in Deutschland auch etabliert ist, es gibt diese Modelle 60-60 Doppelspitzen. Bis heute, zumindest nach meinem aktuellen Erkenntnisstand nur unter Frauen. Es ist auch ein Modell, dass kostenseitig verträglich ist, sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer.

Abschließend würde ich allen ganz gerne allen eine Sorge nehmen. Ich höre immer mal wieder, wenn es auch darum geht, Führungspositionen zu besetzen, wenn es dann um Frauen geht, in einem bestimmten Alter, ja die könnte ja schwanger werden und dann haben wir wieder einen Wechsel – ich würde diese Sorge gerne entkräften, ich werde jetzt zum zweiten Mal Mutter und jedes Mal hat es eben auch Chancen mit sich gebracht. Ich glaube auch daran, dass so ein Kartenspiel dann nochmal neu gemischt wird und eine höhere Rotation auf Führungsebenen auch viele Chancen eröffnen kann.

 

Du bist im Gothaer Frauennetzwerk engagiert – woran arbeitet ihr?

Ja, unser Frauennetzwerk heißt femalenetwork@gothaer und vorab würde ich ganz gerne etwas zur Entstehung erzählen. Wir haben nämlich immer wieder festgestellt wie wichtig es ist, wenn man Karriere machen möchte, dass man eben auch gut vernetzt ist, viele Kontakte hat. Und ich weiß, einer der Ratschläge meines Großvaters an uns war immer, Kontakte schaden nur dem, der sie nicht hat. In diesem Sinne haben wir dann irgendwann gesagt, worauf warten wir eigentlich, wieso gründen wir nicht einfach ein Netzwerk für uns?

Und es macht richtig Freude zu sehen, wie groß wir mittlerweile geworden sind und da kommen wirklich fast täglich neue Menschen dazu, die sich für genau dieselben Themen interessieren und auch einsetzen. Eines unserer Hauptziele ist, dass wir bis Ende 2023 den Frauenanteil auf den Führungsebenen auf 30 Prozent erhöhen, also steigern. Und es gibt auch sehr, sehr gute Gründe warum wir das anstreben. Denn, letztendlich, Vielfalt gewinnt und es ist so, dass alleine in der Bevölkerung 50 Prozent es Frauen gibt und das ist natürlich auch unser Talentpool und den sollten wir auch ausschöpfen und nutzen. Ein weiterer Punkt ist letztendlich, dass ja auch Führungsprinzipien wie Empathievermögen, Kooperation und auch soziale Kompetenzen immer wichtiger werden für den Erfolg eines Unternehmens. Da zeigt sich einfach, dass auch sehr viele Frauen diese Führungskompetenz mitbringen. Ein dritter Punkt ist auch, dass es wissenschaftlich erwiesen ist, dass heterogene Teams deutlich perfomanter sind. Ich glaube, dass die Stärke in so einem Team durch unterschiedliche Ansätze und durch unterschiedliches Denken gezeigt wird und letztendlich immer die besten Möglichkeiten validiert um nach vorne zu gehen.

Es gibt aber weiterhin viel zu tun und das auch losgelöst von der Gothaer. Es ist einfach so, dass mich schon so Themen wie Altersarmut bei Frauen oder auch das Genderpaygap mich umtreiben. Ich glaube, es gibt noch ganz, ganz viel für uns zu tun. Dennoch schaue ich positiv in die Zukunft und bin einfach dankbar, Teil einer Bewegung sein zu dürfen und vielleicht in meinem kleinen Wirkungskreis den Unterschied zu setzen. Mein größter Wunsch ist eigentlich, ich habe eine zweijährige Tochter, dass sie mich, wenn sie älter wird, mich irgendwann anschaut mit ihren großen Augen und mich fragt „Mama, war das früher wirklich noch so?“ und ich im besten Fall sagen kann „Ja, aber das ist schon sehr, sehr lange her“.