„In meiner Branche begegne ich tatsächlich mehr Männern als Frauen“ – im Interview erklärt uns Valerie Lenz, Portfoliomanagerin im Bereich Private Assets, warum Frauen das Thema Geldanlage oft fürchten und meiden – und warum das nicht der Fall sein muss und sollte.

 

Was bedeutet der Weltfrauentag für Dich?

Der Weltfrauentag bedeutet für mich die jährliche Erinnerung an das Thema Gleichberechtigung der Frau., Denn meines Wissens nach ist dieser Tag bereits über 100 Jahre alt und wurde ursprünglich mit dem Gedanken ins Leben gerufen, die Gleichberechtigung der Frau zu fördern. Dies ist auch heute im Jahr 2021 leider immer noch notwendig. In meiner Vorstellung einer idealen Welt müssten wir über dieses Thema gar nicht mehr diskutieren. Ich bin der Meinung, dass wir diesbezüglich noch einige Hausaufgaben zu erledigen haben, da es einfach immer noch Bereiche und Gesellschaften gibt, in denen Frauen wesentlich benachteiligt werden.

Das Thema ist aktuell ja auch vielfach präsent und ich habe in diesem Zuge oftmals den Eindruck, dass die ständigen Diskussionen darüber bei einigen Menschen mittlerweile negatives „Augenrollen“ verursachen. Deshalb finde ich es umso wichtiger, dass wir uns immer wieder daran erinnern, dass das Thema nach wie vor Relevanz hat.

Warum begeisterst Du Dich für die Finanzwelt und für das Thema Geldanlage?

Grundsätzlich finde ich es sehr spannend zu sehen, welche Möglichkeiten es gibt, sein Geld für sich arbeiten zu lassen. Denn bekannter Weise vermehrt sich Geld vom „Herumliegen“ alleine nicht. Bei den zahlreichen Möglichkeiten, wie beispielsweise Depots zu eröffnen, Bausparverträge abzuschließen oder auch in Immobilien zu investieren, finde ich es umso wichtiger, sich mit dem Thema Geldanlage auseinanderzusetzen, auch schon in jungen Jahren. Oftmals höre ich in Bezug auf das Thema Geldanlage Worte wie „das mache ich später irgendwann einmal“, aber mir persönlich ist die Zeit bis „später irgendwann einmal“ zu schade, denn in dieser hätte das Geld längst arbeiten können.

In meiner aktuellen Tätigkeit als Portfoliomanagerin finde ich besonders spannend, dass wir regelmäßig mit externen Managern in Kontakt sind, die uns entsprechende Investitionsmöglichkeiten anbieten. Hier sind wir speziell im Bereich Infrastrukturinvestitionen und vor allem in erneuerbaren Energien tätig. Dies finde ich persönlich sehr interessant, da hier in ressourceneffiziente sowie umweltschonende Technologien investiert wird und man dementsprechend auch einen Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit leistet. Für mich persönlich ist es sehr motivierend in diesem Bereich zu arbeiten, da man insgesamt eben auch einen Mehrwert für die Gesellschaft erbringt.

Wie erlebst Du Deine Branche hinsichtlich der Geschlechterverteilung?

Wenn ich so recht darüber nachdenke, begegne ich in meiner Branche tatsächlich mehr Männern als Frauen – woran das nun genau liegt, darüber kann man nur mutmaßen. Ich vermute jedoch, dass dieser Eindruck ebenfalls von außen so wahrgenommen wird und gegebenenfalls einige Frauen davon abhält, sich trotz bestehendem Finanzmarktinteresse, zu bewerben. Das finde ich dann persönlich sehr schade und würde daher appellieren, die möglichen Gründe für solche Vorbehalte kritisch zu hinterfragen. Auch wenn ich in Studien gelesen habe, dass Frauen den Wettbewerb tendenziell eher scheuen als Männer, würde ich auch hier appellieren, bewusst den Wettbewerb mit Männern zu suchen und sich diesem zu stellen.

Herausforderungen sehe ich darin, dass ich die Erfahrung gemacht habe, dass Männer und Frauen im Beruf unterschiedlich kommunizieren. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass wenn man sich mit dieser Thematik auseinandersetzt und etwas Erfahrung gesammelt hat, sich eine Zusammenarbeit sehr leicht und effizient gestalten lässt. In Bezug auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf habe ich durchaus Modelle gesehen, in denen das möglich ist, deswegen sehe ich hier keine besonderen Herausforderungen im Vergleich zu anderen Branchen.

Warum glaubst Du, haben Frauen bei der Geldanlage mehr Befürchtungen als Männer?

Ich könnte mir vorstellen, dass viele Frauen das Thema Geldanlage gerne in andere Hände geben, sich somit nicht selbst aktiv darum kümmern. So kann sich jedoch eine gewisse Abhängigkeit entwickeln, da man eigentlich nicht mehr Herr bzw. in diesem Fall Frau der Lage ist. Durch diese Abhängigkeit entstehen dann möglicherweise zusätzliche Sorgen oder Ängste, da man einfach nicht mehr genau weiß, was mit dem eigenen Geld geschieht.

Ich vermute, dass mangelndes Interesse an dem Themengebiet generell bzw. fehlendes Finanzwissen ebenfalls weitere Ängste oder Sorgen schüren könnte. Ich kann mir zudem vorstellen, dass einige Frauen, aufgrund von Teilzeittätigkeiten oder dem gleichzeitigen Management von Familie und Beruf, keine Zeit finden, sich in dieser Richtung weiterzubilden. Beziehungsweise aufgrund von geringerem Gehalt einfach gar nicht erst die Chance bekommen, entsprechendes Vermögen aufzubauen, welches sie dann für sich arbeiten lassen könnten.

Deswegen wäre auch hier mein Rat, sich als Frau frühzeitig mit dem Thema Geldanlage auseinanderzusetzen. Auch wenn dies vielleicht am Anfang mühselig erscheint, bin ich davon überzeugt, dass sich dieser Aufwand lohnt und man so einfach unabhängiger ist.

Auch bei dem Thema Rendite gibt es große Unterschiede zwischen Mann und Frau – warum?

Ich vermute, dass Frauen aus diversen Gründen eine höhere Risikoaversion als Männer aufweisen und dementsprechend Sicherheit vor Rendite bevorzugen. Da diese beiden Punkte natürlich zwangsläufig zusammenhängen, müssen bei einem der beiden jedoch letztendlich Abstriche gemacht werden. Dies könnte aus den in der vorherigen Frage genannten Ausführungen resultieren.   So könnte ein geringeres Vermögen insgesamt als auch fehlendes Finanzwissen dazu führen, dass man eher vorsichtiger agiert und somit auch weniger Rendite erwirtschaftet.

Wie unterscheiden sich Männer und Frauen beim Thema Nachhaltigkeit in der Geldanlage?

Unsere Anlegerstudie hat gezeigt, dass Männer und Frauen dem Thema Nachhaltigkeit in gleichem Maße große Bedeutung beimessen, gerade was den Bereich Umwelt- und Klimaschutz angeht. Dies ist aktuell sehr präsent in den Medien und auch wirmerken natürlich, dass der Trend in diese Richtung geht. Gerade viele externe Manager mit denen wir zusammenarbeiten setzen den Fokus auf sogenannte ESG-Faktoren und berücksichtigen letztendlich nachhaltige Aspekte in ihren Anlagen, was für uns als Unternehmen sehr bedeutend ist.

Interessant an der Studie finde ich, dass insbesondere Frauen den Aspekt „Soziale Gerechtigkeit“, als Teilaspekt von Nachhaltigkeit, sehr hoch gewichtet haben. Dieser Aspekt könnte mit Blick auf die erste Frage zum Weltfrauentag betrachtet werden, wo ich erwähnt habe, dass es beim Thema Gleichberechtigung noch sehr viel zu tun gibt. Ich kann mir vorstellen, dass viele Frauen ebenfalls diesen Eindruck teilen – sprich in ihrem Alltag oftmals keine wirkliche Gleichberechtigung erfahren, und deshalb diesem Aspekt auch in Punkto nachhaltige Geldanlage eine sehr hohe Bedeutung zuweisen.