12.000 Menschen geht es derzeit so ähnlich, wie es David Wagner bis vor Kurzem auch ging – sie warten. Und das im Schnitt sechs Jahre lang. Vor etwa sechs Jahren hatte auch für David Wagner sein Warten ein Ende und er erhielt den ersehnten Anruf, dass ein Spenderorgan für ihn gefunden wurde. Sein Warten auf eine neue Leber dauerte nur zwei Jahre, er hatte Glück. Merkwürdigerweise lehnte er die erste Chance sogar noch ab, die zweite Möglichkeit ergriff er dann aber. Auch, weil es sonst vielleicht nicht mehr allzu lange weiter gegangen wäre. Seine Leber war zu zwei Dritteln zerstört.
Der Schriftsteller David Wagner beschreibt das alles mithilfe seines Protagonisten und einer direkten und unpathetischen Sprache in seinem autobiografisch eingefärbten Roman „Leben“. Anschaulich wird der Leser in die Lage versetzt, nachzufühlen wie es ist, wenn man an einer lebensbedrohenden Krankheit leidet und auf ein Spenderorgan angewiesen ist – mitsamt all der vielen kleineren und größeren Dinge, welche damit einhergehen.
Was wäre wenn?
Vielleicht muss man aber auch gar kein komplettes Buch lesen, um eine solche Situation nachfühlen zu können. Vielleicht reicht es auch schon, wenn man sich einmal überlegt, wie es einem selbst in einer solch misslichen Lage gehen würde? Wie wäre es, wenn man für sich oder das eigene Kind dringend eine neue Niere oder Lunge bräuchte, damit die Chance auf ein Weiterleben besteht – aber beim Warten leider kein Ende absehbar ist. Obwohl es vielleicht irgendwo eine Reihe von Menschen gäbe, die einem helfen könnten.
Wie auch in David Wagners Fall bedeutet ein gefundenes Spenderorgan nicht gleichzeitig pure Freude für den Erkrankten, da eine Transplantation einen schwerwiegenden Eingriff darstellt und danach nicht immer eine definitive Verbesserung der eigenen gesundheitlichen Situation zu erwarten ist. Trotz alledem ist in vielen Fällen die Verpflanzung eines fremden Organs die letzte und einzige existierende Option um weiterzuleben.
Dieser Fakt ist wohl auch vielen Menschen bewusst, denn laut Umfragen sind 75 Prozent der Bürger in Deutschland grundsätzlich bereit, nach dem eigenen Tod lebenswichtige Organe anderen Menschen zu spenden. Fakt ist aber leider auch, dass andererseits nur 25 Prozent einen Spenderausweis besitzen. Eine ziemliche Diskrepanz, für die es Gründe geben muss. Die Deutschen spenden nach Zahlen aus dem Jahr 2011 im Vergleich zu beispielsweise Spanien oder Italien sehr viel weniger Organe und rangieren bei der Spenderquote eher im unteren europäischen Mittel. Leider sind die Zahlen in den darauffolgenden Jahren nicht besser geworden, sie haben sich vielmehr verschlechtert wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation Ende April berichten musste. Die Gründe für diese Zahlen sind wohl vielschichtiger Natur: In den letzten Jahren wurde verstärkt versucht den obengenannten Gründen entgegenzuwirken. So werden seit September 2012 alle 47 Transplantationszentren und –programme in Deutschland überprüft – dies soll in Zukunft alle drei Jahre passieren. In den Medien wird nicht erst seit Bekanntwerden der Nierenspende von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier für seine Frau breit darüber berichtet und der Versuch unternommen, Aufklärung zu leisten. Es gibt eine Reihe von Informationskampagnen oder beispielsweise viele prominente Sportler, die sich im „Verein – Sportler für Organspende“ zusammengeschlossen haben, um für den Spenderausweis zu werben. Von Seiten der Politik wurden zwei neue Gesetze verabschiedet, die 2012 in Kraft traten. Das eine sorgt dafür, dass jeder Bürger alle zwei Jahre von seiner Krankenversicherung aufgefordert wird, eine Entscheidung zur Organspende zu treffen. Das andere soll dafür sorgen, dass in Europa einheitliche Standards für die Qualität und Sicherheit von Organtransplantationen gelten. Bei einer Lebertransplantation überleben 20 Prozent der Operierten das erste Jahr nicht, weswegen David Wagner erst einmal sehr froh darüber war, dass es vorbei war. Er ist der Überzeugung, dass er (wie alle anderen Transplantierten auch) nur noch da ist, weil es Menschen gibt, die die Großzügigkeit haben, nach dem Tod Organe zu spenden. Sein Roman „Leben“, den er ohne die Transplantation wohl nie zu Ende geschrieben und veröffentlicht hätte, ist mittlerweile prämiert mit dem Preis der Leipziger Buchmesse.Deutschland mit schlechten Werten
Mögliche Gründe
Ein schön gemachtes Zeichentrickvideo des Bundesministeriums für Gesundheit als Hilfestellung.
Großzügige Spender
Vielen dank für den tollen Artikel und die Informationen. Ich finde es wichtig anderen Menschen eine Chance zum Leben zu geben wenn das eigene Leben schon vorbei ist und man die Organe nicht mehr braucht.
Gruß Anna